Fragen, die sich auf der Biofach 2018 stellen: Gehört Bio inzwischen zum modernen Lifestyle? Lässt sich mit dem Hashtag #bio punkten, wenn man auf Instagram & Co. #foodporn herzeigt? Und dient das Biosiegel der Gewissensberuhigung, wenn es mal wieder nur für ein Essen aus der Tüte gereicht hat, weil: „Ist doch Bio, ist gesund!“?
Beim Gang über die wichtigste Messe für Bio-Lebensmittelstellte ich fest, dass viele Bio-Unternehmen hart am Wind des nächsten Food-Trends segeln. Die Jackfruit, gerade erst als Fleischersatzprodukt entdeckt, tauchte nicht nur pur auf, sondern auch in Burgerbratlingen und Ravioli. Fermentiertes vom Kurkuma-Kraut bis zur Salsa zeigte das Hipster-Potenzial des Themas Darmgesundheit (offenbar eine der nächsten großen Wellen der gesunden Ernährung). Und lustige Getränke allüberall: vom Craftbeer bis zum Switchel.
So weit fand ich das durchaus spannend.
Ich habe auch nichts dagegen, wenn Bioprodukte in schicker Verpackung daherkommen – Farbe macht Spaß und vermittelt deutlich mehr Lebensfreude als die Skala von Packpapierbraun über Erdbraun bis Jutebraun aus meinen Anfangsjahren als Biokäuferin.
Reichlich Verpackung auf der Biofach 2018
Beim Stichwort Verpackung wird es allerdings schon zwiespältig. Denn davon gab es einfach ziemlich viel. Während einerseits die Plastikfrei- und Unverpackt-Bewegungen immer mehr Anhänger*innen finden, nähert sich andererseits ein Teil der Biobranche der Normalität des konventionellen Verpackungswahnsinns an.
Negativ aufgefallen sind mir vor allem die Lebensmittel in lauter einzeln verpackten Snackportiönchen: nicht nur Schoko- und Energieriegel aller Art, sondern auch die offenbar unvermeidlichen Quetschbeutel mit Fruchtmus, Packungen mit ein bis zwei Keksen und Mini-Plastikwürstchen mit Frischkäseinhalt. Hitverdächtig fand ich allerdings einen Fund in den internationalen Hallen: gegarten Reis. Aus der Dose.
Gut, das war ein Ausreißer, und zugegebenermaßen wird Bio in anderen Ländern teilweise noch viel stärker unter dem Aspekt „ist gut für die Gesundheit“ als „ist gut für unsere Erde“ gesehen. Das stelle ich auf Reisen immer wieder fest. Aber auch bei uns scheint die Auffassung durchaus verbreitet zu sein, dass ökologische Lebensmittel vor allem das eigene Wohlbefinden zu steigern haben und Attribut für einen hippen Lifestyle sind.
Genau deshalb fiel mir der Bioland-Stand umso positiver auf. Mit dem Motto #natürlichgehtsumsganze rückt der Verband wieder ins Bewusstsein, was Bio eigentlich bedeutet: dass in unserer Umwelt alles miteinander zusammenhängt, auch der Mensch Bestandteil dieses Systems ist und nicht außerhalb steht. Dass Bio eben nicht nur „gesundes Essen für uns“ bedeutet, sondern ein gesunder Boden, ein artgerechtes Leben für Tiere, Biodiversität und Klimaschutz nicht minder wichtig sind.
Bei einer Bioland-Erzeugergemeinschaft konnte ich dann auch endlich eine Frage klären, die mich seit Jahren umtreibt: warum eigentlich in Bioläden so gut wie ausschließlich von weither importierter Rohrzucker steht, aber kein regionaler Rübenzucker. (Des Rätsels Lösung gibt es im Foodblog Schmeckt nach mehr.) Aber das ändert sich; der regionale Bio-Rübenzucker ist im Kommen, dafür sorgen gerade einige engagierte Menschen.
Frische Ideen für die Branche
Das war einer von vielen Momenten auf der Biofach, in denen ich dachte: Respekt. Auf Schritt und Tritt war zu spüren, wie viele Ideen in der Branche ständig entstehen, wie viele Menschen immer nach noch nachhaltigeren Lösungen suchen und dafür durchaus um die Ecke denken. (Auch wenn ich den Insektizid-Hersteller, der sein Herz für den Fliegenschutz entdeckt hatte, zugegebenermaßen etwas skurril fand.) Ob man es Idealismus nennt oder Liebe: Hier stecken viele jede Menge Energie und Kreativität in den Wunsch, die Welt ein bisschen besser zu machen.
Was mir sonst noch im Gedächtnis geblieben ist? Als Kochbuchautorin fielen mir natürlich die vielen Tüten und Packungen (da sind sie wieder) mit Convenienceprodukten, Fix-Gerichten und Pülverchen auf. Gekocht wird wohl wirklich immer weniger Frisches, wenn nicht gerade eine Buddha-Bowl für Instagram angerichtet werden muss. Und manchmal könnte ich resignieren, wenn ich sehe, dass sich Kochen in puncto Aufwand und Geschwindigkeit offenbar inzwischen an gewürzten Haferflocken („Porridge“) messen lassen muss, die nur noch mit heißem Wasser übergossen werden.
Mein Fazit der Messe: Die Branche wirkt gespalten. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die Bio als Lifestyle verstehen, auf der anderen die werteorientierten Ökos. Ob die beiden Richtungen weiter auseinanderdriften? Es könnte natürlich auch sein, dass sie sich gegenseitig befruchten. Dann lässt sich das traditionelle Bio vielleicht zu mehr Hipness inspirieren und spricht damit auch Jüngere an. Und das Lifestyle-Bio entdeckt womöglich, dass ihre Zielgruppe für Impulse in Richtung größere Nachhaltigkeit durchaus aufgeschlossen wäre. Auch dafür gab es durchaus Anhaltspunkte. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es auf der Biofach 2019 aussehen wird.
[…] PS: Weitere Eindrücke von der Biofach findet Ihr jetzt auch in meinem nagelneuen Zweitblog Teepause. Biofach 2018: Lifestyle, Liebe, Landwirtschaft […]